|
Die Legende von den heiligen Drei Königen
6. Wie die Könige in Jerusalem einzogen, und zu Herodes kamen.
Wer Nebel schwand im Sonnenlichte,
Da glänzte Tempel, Burg und Stadt;
Als nun die Schar, die reiche, dichte,
Durch die erhellten Tore trat.
Erfüllung wurde da den Worten:
"Es kommt, o Stadt! mit Gold und Gut
Der Heiden Kraft, und deine Pforten
Umlagert der Kamele Flut."
Doch zitterten, die drinne wohnen,
Als sie die Heereskraft erblickt,
Die Völker, die aus fernen Zonen
Der Aufgang, der erregte, schickt.
Die Stadt, sie fasset sie nicht alle,
Der Markt ist voll, es stockt das Tor,
Die Andern lagern sich am Walle,
Und liegen, wie ein Feind, davor.
Da dachte man der Väter Zeiten,
Die sahen all der Völker Zahl,
Um Wall und Mauer feindlich streiten,
Und sie bestürmen all' zumal.
Da ward manch banges Wort gehöret:
"Der Indier ist da, der Mohr!
Der Ahnherr hat die Stadt verstöret,
Wer weiß, was uns der Enkel schwor!"
Den alten König aus dem Schlafe,
Auch den Herodes weckt der Klang,
Er hört es nahn wie Himmelsstrafe,
Er sieht vom Fenster aus den Drang.
Bald merkt er, wie der laute Schrecken
In stille Freude sich verkehrt,
Die Neugier lispelt an den Ecken,
Was ihr der Fremden Mund beschert.
Er hört das leise Wort der Leute:
"Geboren ist, den Gott verheißt!"
Und des Propheten Spruch tritt heute
Gerüstet vor den finstern Geist.
Die Schriftgelehrten und die Priester
Beruft er in den hohen Rat,
Und frägt mit scheuer Hast: "Wo ist er,
Den Gott dem Volk verheißen hat?"
Sie sprechen all aus einem Mund'
"Du kennest des Propheten Wort,
Nicht deutet es, o Herr, die Stunde,
Doch wohl bezeichnet es den Ort:
Du kleines Bethlem, bist erkoren,
Vor allem Juda sei erfreut!
Der Herzog wird aus dir geboren,
Der seinem Israel gebeut."
Der König hat genug vernommen,
Er sendet nach den Fremden aus,
Er bittet sie, zu ihm zu kommen,
Man führt sie heimlich in fein Haus.
Da treten herrlich ausgeschmücket
Die Fürsten vor sein Angesicht.
Er steht so ärmlich, so gebücket;
Nein! solch ein König ist er nicht.
Doch sprechen sie mit würdgem Neigen:
"Wir sehn, du bist der Fürst des Lands;
Du wollst das Königskind uns zeigen,
Das aufging dieses Volkes Glanz.
Es deutete, was da geschehen,
Ein alter Seherspruch uns schon,
Wir haben feinen Stern gesehen:
Sprich! ist's dein Enkel, ist's dein Sohn?"
Doch der im Herzen schwer betrübet,
Sprach da mit lächelndem Gesicht,
In aller Falschheit wohl geübet:
"In meinem Hause suchet nicht.
Es künden die Prophetengeister
Wohl einen andern, größern Herrn!
Auch mir erzähltens meine Meister,
Und ich - fürwahr, ich hört es gern."
"Drum sagt mir, wann sein Stern erschienen,
Erforschen möcht ich es mit Fleiß;
Ich selber, glaubt mir, will ihm dienen,
Sobald ich seine Stätte weiß.
Es lassen ihn die alten Kunden
Aus Bethlem, Davids Stadt, erstehn.
Eilt, sagt mirs, wenn ihr ihn gefunden;
Nicht dürft ihr mich vorübergehn!"
Er schweigt, und aus des Busens Schwärze
Füllt sich sein Angesicht mit Nacht;
Der fromme Blick, das lichte Herze
Der Kön'ge nimmt es nicht in Acht.
Sie künden ehrlich Tag und Stunde,
Daran das Licht erschienen ist,
Sie grüßen mit getreuem Munde
Und ziehen weiter nach dem Christ.
Und Dromedar' und Stier' und Schafe,
Und Ross und Mann ziehn aus der Stadt;
Jerusalem legt sich zum Schlafe,
In dem es vor gelegen hat.
Nur in dem Schloss da wacht und zittert
Herodes vor der Fremden Wort;
Er rechnet hin und her, er wittert
Trug und Verrat; er sinnt auf Mord.
weiter: 7. Was den Königen
auf ihrer Fahrt nach Bethlehem begegnet
Gustav Schwab
|
|