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Deutsche Weihnachtslieder
1. Buch
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Weihnachtsabend
Am Weihnachtsabend in der Still
Ein tiefer Schlaf mich überfiel
Mit Freuden ganz begossen:
Mein Herz empfing viel Süßigkeit
Vor Honig und vor Rosen.
Mir träumte wie ein Engel käm
Und brächte mich gen Bethlehem
Ins Judenland getragen.
Ein Wunderding sich da begab,
Hör zu, dies lass dir sagen.
In einen Stall ging ich hinein,
Darin ein Ochs und Eselein
Ihr Heu beim Kripplein aßen.
Ein alter Mann, ein Jungfrau zart
Bei ihnen kläglich saßen.
Ein Kindelein so nackt und bloß
Saß in der edeln Jungfrau Schoß,
Das glänzte gleich der Sonnen.
Seine Äuglein flossen immerzu
Wie zwei lebendge Bronnen.
Dies Kindlein war der große Gott,
Der uns Bedrängten hilft aus Not,
Der alle Tiere kleidet,
Die ganze Welt schützt und erhält,
Uns Allen Heil bescheidet.
Die zarten Füß und Händelein
Erzitterten vor großer Pein,
Die scharfe Kält ihn brannte.
Sein Antlitz wandt er hin und her,
Ob ihn die Welt erkannte.
In arme schlechte Windelein
Die Jungfrau wand das Kindelein,
Legt's in die Kripp mit Neigen:
Dies ist der Thron, da Salomon
Seine Weisheit wollt erzeigen.
Das Öchslein und das Eselein
Erkannten Gott den Herren fein,
Die Knie sah man sie biegen:
Die Kripp sie räumten willig ein
Dem Kind zu einer Wiegen.
Bewegte sie des Kindes Flehn,
Dass sie den Atem ließen wehn
Den Leib ihm zu erwarmen?
Da alle Menschenhülfe fern
Muss sich das Vieh erbarmen.
O Liebe, wohl hast du Gewalt:
Du hast in menschlicher Gestalt
Vom Himmel Gott gezogen,
Dass er in unserm Fleisch und Blut
Mariens Brust gesogen.
Der aller Himmel hat Gewalt,
Lag in verwaisten Kinds Gestalt
Von aller Welt verlassen.
Seiner Demut war nicht End und Ziel,
Sein Leid groß ob der Maßen.
Dem Cherubim und Seraphim
Lobsingen stets mit heller Stimm,
Vor dem die Welt sich neiget,
Dem gewaltigen Gott Sabaoth
Wird hier nicht Ehr erzeiget.
Die Propheten all erflehten das,
Der Heiland sollt als Laub und Gras
Uns aus der Erde grünen.
Maria das Wurzgärtlein war
Und Jesus war die Blüte.
Nun ist die heilge Schrift erfüllt:
Der uns des Vaters Zürnen stillt
Ist in die Welt geboren;
Zu einem Saal den armen Stall
Hat er sich auserkoren.
Beim Kripplein kniet' ein armer Mann,
Das schöne Kindlein fleht' er an
Und küsst' ihm seine Füße.
O Sünder, komm du auch herbei
Und deine Sünden büße.
Der sonst mit Blitz und Donnerschlag,
Mit Schwefel, Pech und großer Plag
Die Sünder pflegt zu strafen,
Der ist ein armes Kindelein,
Hat weder Wehr noch Waffen.
Er kann jetzt nicht mehr schlagen drein,
Die Händlein sind ihm viel zu klein,
Die Kraft ist ihm geschwunden.
Der gewaltge Leu ist jetzt ein Lamm,
Kann Niemand mehr verwunden.
Drum lauft, ihr Sünder, allzumal,
Kommt eilends her in diesen Stall,
Hier könnt ihr Gnad erlangen.
Eur Richter liegt gebunden hier,
Ihr mögt ihn selber fangen.
Schäm dich du böse schnöde Welt,
Die ihre Lüste büßt mit Geld
In Sammet und in Seiden:
Sieh an das zarte Kindelein,
Was es für dich will leiden.
Hört weiter an was ich euch sag:
Die Nacht ward Licht als wär es Tag,
Viel Engel hört man singen,
Weil sie den Hirten auf dem Feld
Eine neue Botschaft bringen.
Drei arme Hirten in der Nacht
Bei ihren Schafen hielten Wacht
Bei Bethlehem gar nahe;
Sie erschraken alle drei gar sehr,
Als sie den Engel sahen;
Mit großem Glanz und Sonnenstrahl
Das Feld erleuchtet allzumal,
Dazu in Wolken Singen,
Mit Harfen und mit Lautenklang
Die Lüfte rings erklingen.
Der Engel sprach: Ihr Hirten gut,
Entsetzt euch nicht, seit wohlgemut,
Ich will euch Freude künden:
Bei Groß und Klein soll Freude sein,
Bei allen Menschenkindern.
Zu Bethlehem in Davids Stadt
Ist euch geboren nächten spat
Den die Propheten preisen.
Drum macht euch auf und sucht das Kind,
Den Weg will ich euch weisen.
Wahrzeichen lasst euch dieses sein:
Gewickelt liegts in Windelein,
Die Kripp ist ihm zur Wiegen.
Dabei ein Esel und ein Rind
Sich vor dem Schöpfer biegen."
Als das den Hirten wurde kund,
Entschlossen sah man sie zur Stund
Gen Bethlehem zu reisen.
Sie wollten gern das Kindlein schaun,
Ihm Lieb und Ehr erweisen.
Ein Hirt zu den Gesellen sprach:
"Eilt nicht zu sehr in dieser Sach,
Ich will euch Eins erst sagen:
Lasst uns dem lieben Kindelein
Ein Angebinde tragen."
Der andre sprach: "Ich hab ein Lamm,
Vor wenig Tagen ichs bekam,
Ich brings des Kindleins Mutter;
Bring du dem Öchslein Heu und Streu
Und Er dem Eslein Futter.
Sie zogen hin in schneller Eil
Und reisten schier ein halbe Meil,
Bis sie das Kripplein fanden.
Maria gab dem Kindlein Mus
Und Joseph hielt die Pfanne.
Sie kamen in den Stall hinein,
Joseph hieß sie willkommen sein,
Bot ihnen Zucht und Ehre.
Sie zeigten Gottes Wunder an:
Die Mutter freut' es sehre.
Sie fielen nieder auf die Erd
Anbetend vor dem Heiland wert,
Vor Freud sie mussten weinen:
Sie brachten ihre Gaben dar,
Wiewohl sie waren kleine.
Darauf sie kehrten wieder um,
Brachten das Evangelium
Zuerst den Judenlanden;
Doch war noch Niemand weit und breit
Bei dem sie Glauben fanden.
Hiemit bin ich vom Schlaf erwacht;
Wollt Gott, der Traum käm alle Nacht:
Bis sieben wollt ich liegen,
Dass ich die Knie nach Herzenslust
Vor dem Kindlein möchte biegen.
Freut euch, ihr Christen allgemein,
Und lobt das werte Kindelein,
Mit Freuden sollt ihrs grüßen,
Und kehrt es bei euch selber ein,
Wollt ihm das Herz erschließen.
O mein herzliebstes Jesulein,
Lass mich allzeit dein eigen sein
Und deine Huld erwerben.
Von deinem Kripplein komm ich nicht
Im Leben noch im Sterben.
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Karl Simrock
Deutsche Weihnachtslieder
1859
1. Buch:
Weihnachtslieder
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